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Neubewertung

  • Panik

    Die Behauptung des Intendanten und des Hauptabteilungsleiters, ich hätte dem ahnungslosen ZDF einen bösen Film „untergejubelt“, hat mich damals sehr geärgert. Mein Anwalt meinte, diese Unterstellung suggeriert, Wember sei ein Betrüger. (Siehe „Der Super-GAU“)

    Nein. Das sehe ich heute anders.

    Die Behauptung vom Unterjubeln war keine Diffamierung des Autors. Die Behauptung war viel zu absurd, um einen Betrug zu suggerieren. Alle Verantwortlichen hatten den Film gesehen und zur Sendung freigegeben. Die Behauptung „untergejubelt“ war ein bizarres Symptom von Panik, ein Griff nach dem absurden Strohhalm.

    Die Drohung der Konzerne mit Schadensersatz in Multi-Millionen-Dimensionen war für das ZDF extrem gefährlich. Wegen der vorliegenden Verträge war das ZDF für die Chemie erpressbar. Die Verantwortlichen waren ratlos, weil sie nicht wussten, wie das drohende finanzielle Desaster verhindert werden kann.

    „Untergejubelt“ war ein Indiz dafür, wie dramatisch die juristische Situation für das ZDF tatsächlich war.

    Damals fühlte ich mich als angeblicher Betrüger diffamiert. Heute weiß ich: Mein Eindruck war falsch.

  • Zensur

    Der Intendant hatte verlangt, dass mein Film um ein Drittel gekürzt wird. (Siehe „Chemisches Risiko“)

    Wenn ZDF-Juristen die Kürzungen vorgenommen hätten, dann wären etliche kritische Passagen wahrscheinlich entfernt worden. Der oft zitierte Satz „Was die Chemische Industrie mit unserer Landwirtschaft macht, ist ein Verbrechen“ wäre sicher gelöscht worden.

    Diese Löschungen wären eindeutig Zensur-Eingriffe gewesen. Das ZDF wollte den Zensur-Vorwurf unbedingt vermeiden. Denn der erhoffte Erfolg des Films wäre durch Zensur beschädigt worden. Deshalb wurde meine Bedingung akzeptiert und ich durfte selber kürzen.

    Meine Kürzungen haben zwar die Bedingung „ein Drittel“ perfekt erfüllt. Aber ich habe nur die dokumentarischen Außenaufnahmen entfernt. (Siehe „Neue Mediensprache“) Die brisantesten Aussagen habe ich stehen gelassen.

    Heute frage ich mich, ob mein Film wirklich auf diese Provokation („ein Verbrechen“) angewiesen war. Mein Versuch, komplexe Zusammenhänge filmisch erlebbar zu machen, wäre auch ohne diese drastische Formulierung plausibel gewesen.

    Der Verbrechens-Satz war zwar sehr eindrucksvoll. (siehe SZ in „Alte Erfolge“) Ohne diese Provokation wären die Chemie-Konzerne vermutlich weniger wütend gewesen.

  • Notwendig

    Das ZDF hat damals die Forderung der Chemie-Konzerne erfüllt: Die Video-Kassette mit der Langfassung des Films wurde verboten. Die Presse hat äußerst hart reagiert:

    Das ängstliche ZDF lässt sich von den Chemie-Konzernen erpressen. Der Sender ist zu feige, um einen guten Film zu verteidigen.(Siehe „Erpressung“)

    Das war die dramatisch zugespitzte Berichterstattung. Da war kein Platz für Informationen über die komplizierte Entstehungsgeschichte des Konfliktes. Und es war keine Zeit für nüchterne Analyse der Ursachen.

    Der ZDF-Intendant wusste, dass die Chemie-Konzerne wild entschlossen waren, die ungeliebten Öffentlich-Rechtlichen für den bösen Film zu bestrafen. Da sie die Ausstrahlung des Films nicht mehr verhindern konnten, sollte wenigstens an der Video-Kassette ein drakonisches Exempel statuiert werden.

    Den ZDF-Juristen war völlig klar, dass die Drohung der Chemie auf Schadensersatz wegen Kredit-Schädigung juristisch hoch riskant war. Für den Sender wäre es zu einem finanziellen Multi-Millionen-Desaster gekommen. Mit zeitlichem Abstand betrachtet, war die erforderliche Entscheidung völlig klar:

    Im Sinne einer Güterarbwägung musste der Intendant seinen Sender vor Schaden bewahren. Da blieb ihm nichts anderes übrig, als eine Video-Kassette mitsamt Autor zu opfern und abgeschlossene Verträge zu ignorieren. Das waren grenzwertige Entscheidungen.

    Heute weiß ich, dass diese für mich äußerst bittere Lösung für das ZDF absolut not-wendig war.

    Damals habe ich diese Notwendigkeit nicht begriffen. Ich wollte meinen inzwischen verbotenen Film retten. Meine eigenmächtigen Verhandlungen mit den Chemie-Konzernen und der erzielte Kompromiss waren für das ZDF eine Provokation. Ein gemeinsames, einvernehmliches Vorgehen wäre sinnvoller gewesen… (Siehe „Unmögliches“)

  • Mutig

    ZDF-Intendant Stolte hat die Produktion meines Films sehr gefördert. Aber ZDF-intern gab es heftige Widerstände gegen den Film. Bedenken wurden laut geäußert wegen der offenen Parteilichkeit und fehlender „Ausgewogenheit“ meiner Darstellung. Der Intendant hat den Film immer verteidigt mit dem Argument:

    Das gesamte Programm des ZDF muss „ausgewogen“ sein. Ein einzelner Film darf durchaus parteiisch sein.

    Um meinen Film zu retten, hat der Intendant die Wirkung testen lassen. Ein Forschungs-Institut wurde beauftragt, Wirkungs-Forschung durchzuführen. Das Ergebnis der Publikums-Befragung:

    52% gut, 13% schlecht, 35% unentschieden. Dieses Resultat konnte ZDF-intern die Bedenkenträger beruhigen.

    Aber von der Chemischen Industrie wurde schon vor der Ausstrahlung massiver Widerstand gegen den Film angekündigt. Der Intendant hätte die Ausstrahlung des Films verbieten können, um Risiken für das ZDF zu vermeiden. Er war mutig und hat die Ausstrahlung nicht verboten. Denn er war überzeugt, dass die gekürzte Fassung des Films durch die hochkarätige Diskussionsrunde abgesichert ist.

    Weil der Intendant an den Erfolg meiner Arbeit geglaubt hat, ist der Film trotz aller Widerstände gesendet worden. Der Intendant hoffte auf ähnliche Anerkennung für das ZDF wie bei meinen vorherigen Filmen. (siehe „Alte Erfolge“)

    Meine wütende Verurteilung des Intendanten war auf dem Hintergrund seines Engagements für den Film ungerecht.

  • Nach-Sicht

    Spurenelemente von Altersweisheit gibt es leider nicht auf Bestellung. Manchmal zeigen sich Einsichten erst mit großer Verspätung. (Siehe „Fehlurteile“) In meinem Buch „Vergiftet oder arbeitslos?“ habe ich seinerzeit einen Text veröffentlicht, in dem es unter anderem heißt:

    Es schockiert mich heute, wie sehr damals Wut und Enttäuschung meine Beurteilung verfälscht haben. Die maßlose Behauptung „Rückgratschäden“ war unanständig.

    Ich bitte um Nachsicht.

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